Erstarren, Flucht, Kampf: Eine simple Erklärung für unser Verhalten in der Corona-Krise
Auf Basis der Polyvagal-Theorie von Stephen W. Porges
APRIL 2020
Ein Virus hält die GANZE Welt in Atem. Legt unsere Wirtschaft lahm, beraubt uns unserer Freiheit und Würde, lässt uns unsere Hilflosigkeit fühlen, macht uns innerlich still oder stinkig. Die Maßnahmen treiben uns an den Rand des Wahnsinns oder in den finanziellen Ruin. Das Virus verursacht Stress, Verzweiflung, Angst und Panik.
Die Reaktionen auf das Virus sind ganz unterschiedlich. Und um diese unterschiedlichen Reaktionsmuster geht es in diesem Artikel: Weshalb reagieren die einen mit Panik, andere mit Wut? Weshalb gelingt es den einen, innerlich ruhig zu bleiben während manch ein anderer in eine Depression fällt oder massive Angstzustände erleidet?
In diesem Artikel geht es also nicht darum, die Maßnahmen in Frage zu stellen. Nein. Mir geht es hier nicht um eine Einteilung in richtig oder falsch, in gut oder böse, in recht haben oder nicht recht haben. Es geht einzig und allein darum, dass wir verstehen, WESHALB wir unterschiedlich reagieren. Es geht darum, dass wir Verständnis füreinander zu kriegen. Wir können aus dieser Krise nur gestärkt hervorgehen, wenn wir ALLE unsere Hausaufgaben machen. Und das heißt, dass wir uns unserer blinden Flecken gewahr werden und unsere Schattenseiten integrieren. Nur so können wir die Chance, die in dieser Krise steckt, auch als Kollektiv wahrnehmen. Und nur so können wir schlussendlich mit Hilfe eines konstruktiven Dialogs ein gemeinschaftliches Miteinander schaffen.
Die Veränderungen im außen beginnen immer bei uns selbst. Damit wir bei uns selbst beginnen können, müssen wir uns und unsere Verhaltensweise kennen und uns diesen bewusst werden. Wenn wir diesen bewusst sind, heißt das noch lange nicht, dass wir sie auch verstehen. Damit wir diese verstehen, brauchen wir Erklärungen. Erklärungen, die helfen zu verstehen, wie wir Menschen ticken. Die Polyvagal-Theorie von Porges kann diese liefern. Ich weiß, dass ich diese sehr vereinfacht darstelle und einiges davon weglasse. Das ist ein bewusster Entscheid meinerseits. Ich mag es lieber einfach als kompliziert 🙂 .
Wer ist Prof. Dr. Stephen W. Porges und was beinhaltet seine Theorie?
Stephen W. Porges ist Wissenschaftler. Er untersuchte die Herzratenvariabilität in Verbindung mit dem sogenannten Vagusnerv. Dabei wollte er herausfinden, wann das Herz schneller oder langsamer schlägt und wie dies im Zusammenhang mit dem Vagusnerv stand. Der Vagusnerv ist ein Bestandteil des Parasympathikus. Wir kennen den Parasympathikus als den Teil vom vegetativen Nervensystem, der für Entspannung sorgt. Stephen W. Porges fand in seinen Forschungen heraus, dass der Parasympathikus zwar einerseits für Entspannung sorgt, andererseits aber auch für eine Art Starre zuständig ist. Dass er auch den Herzschlag komplett zum Stillstand bringen kann und so zum Beispiel verantwortlich dafür ist, dass man unerwartet stirbt. Dies benannte er zunächst als Vagusparadox: Der Vagus reagiert einerseits schützend, andererseits kann er aber auch zum Tod führen. Aus diesem Forschungsergebnis heraus entstand die Polyvagal-Theorie, die Porges 1994 vorstellte.
Gemäß seiner Forschung und Theorie kann das autonome Nervensystem in diese drei Zustände gegliedert werden:
Dabei sind die beiden Schaltkreise Gefahr (Mobilisierung, Flucht) und Lebensgefahr (Erstarrung) älter, der Schaltkreis der Sicherheit ist jünger. Wenn wir uns in einer schwierigen Situation befinden, greifen zuerst die älteren Schaltkreise Mobilisierung oder Erstarrung, weil sie unser Überleben sichern.
Folgendes Schema, welches ich auf der Grundlage von Deb Danas Buch „Die Polyvagal-Theorie in der Therapie“, erstellt habe, verdeutlicht die drei Zustände:
Sicherheit, Flucht, Kampf, Erstarrung: In welchem Zustand befinden wir uns?
Normalerweise switchen wir an einem Tag zwischen den drei Zuständen „Sicherheit, Gefahr und Lebensgefahr“ hin und her. Niemand (ausser vielleicht der Dalai Lama oder ein Eckhart Tolle) verbringt sein Leben permanent im Zustand der Sicherheit. Die unteren beiden Zustände sind auch wichtig! Sie sichern unser Überleben. Unser Gehirn scannt nämlich ständig ab, ob es Gefahr wittert. Falls ja, wird der entsprechende Impuls ans autonome Nervensystem weitergeleitet und so entweder Energie freigesetzt für Flucht oder Kampf oder aber es kommt zum Shutdown, zum Kollaps. In letzterem Fall geht gar nichts mehr. Dies ist ein GANZ NATÜRLICHER Vorgang!
Das Problem ist, dass es Menschen gibt, die z. B. Traumata erlebt haben oder durch Corona retraumatisiert werden und deshalb im Zustand der Erstarrung oder Mobilisierung verharren. Menschen, die früher z. B. festgehalten oder eingesperrt wurden und dabei psychisch, körperlich oder sexuell misshandelt worden sind, können durch die Corona-Massnahmen retraumatisiert werden. Es kann deshalb sein, dass sie nicht mehr selber aus diesem Zustand herausfinden.
Mir ist es ein Anliegen, dass wir uns dessen bewusst sind. Dass wir erkennen, was da gerade ausgelöst werden kann – auch auf lange Sicht gesehen. Möglich, dass wir jetzt Leben retten, möglich aber auch, dass wir in den nächsten Monaten oder Jahren unzählige Menschen haben werden, die wegen der Krise in eine Depression oder in ein Burnout rutschen oder – noch schlimmer – suizidal werden. Ich möchte mit diesem Artikel die Masse für dieses Thema sensibilisieren.
Beispielhafter Corona-Tagesablauf einer normalen Person
Bevor ich auf die Zustände von Gefahr und Lebensgefahr stärker eingehe, skizziere ich einen Corona-Tagesablauf, wie er bei einer Durchschnittsbürgerin aussehen könnte.
Da ist Lisa Durchschnitt. Eine kinderlose Single-Frau.
Lisa steht am Morgen auf und strahlt. Sie freut sich aufs Homeoffice. Corona hat es möglich gemacht. Yeah! Sie muss sich nicht duschen, umziehen, schminken (Lisa befindet sich im Zustand der Sicherheit). Während sie im flauschigen Pyjama ihren Computer hochfährt, hört sie im Radio die Meldung, dass die Zahl der Infizierten in die Höhe geschnellt ist. Schock! Ihr Kopf fühlt sich total vernebelt an und sie erstarrt (Zustand der Lebensgefahr). Nach ein paar Minuten hat sie sich soweit beruhigt, dass sie überlegt, sich einen Vorrat an Spaghetti zuzulegen. Was, wenn die Hamsterer doch Recht hatten? Was, wenn die Lebensmittelläden in Kürze auch die Türen schließen? (Kampfmodus, Zustand der Gefahr). Sie mailt ihrem Chef, dass sie erst in zwei Stunden mit der Arbeit beginnen kann. Jetzt muss sie sich doch anziehen…Misteldistel. Glücklich, dass sie einkaufen gehen kann, trottet sie los (Rückkehr in den Zustand der Sicherheit). Bereits vor dem Laden warten die Menschen auf den Einlass, da der 2‑Meter-Abstand eingehalten werden muss. Ein paar dieser Menschen tragen eine Atemschutzmaske. Alle blicken ängstlich und ernst. Lisa spürt, wie Panik in ihr hochsteigt. Am liebsten möchte sie weg von hier (Fluchtmodus, Zustand der Gefahr).
Endlich ist sie an der Reihe und darf reingehen. Ein Mitarbeiter des Ladens lächelt sie an und besprüht ihre Hände mit Desinfektionsmittel. Sie fühlt sich wieder sicher, da die Gefahr einer Ansteckung minimiert wird. Der Laden bietet viel Platz, die Abstände werden eingehalten, eine Angestellte putzt die Griffe mit Desinfektionsmittel.
Der Zustand der Sicherheit wird fortgesetzt.
Nun kommt Lisa beim Nudelregal an. Lisa sieht eine einzige leere Fläche. Nur Regal. Keine Nudeln. Panik steigt in ihr hoch (Zustand der Gefahr). Sie läuft Richtung Reisregal. Reis geht in der Not auch, findet sie. Aber auch da: Keine einzige Packung mehr vorhanden (Zustand der Gefahr bleibt bestehen).
Lisa findet am Ende ein paar Packungen Quinoa, Buchweizen und Linsen und füllt ihren Korb mit diesen Lebensmitteln. Überhaupt nicht lecker, aber besser als verhungern (Lisa bewegt sich wieder Richtung Sicherheit).
Zu Hause angekommen, gönnt sie sich einen wunderbaren Latte Macchiato und freut sich über das herrliche Wetter (Zustand der Sicherheit kehrt zurück). Plötzlich nimmt sie beim Trinken ein leichtes Kratzen im Hals wahr. Sie überprüft bei jedem Schluck ganz genau, ob da was ist. Irgendwie fühlt sie sich plötzlich unwohl. Sie erstarrt. Ist ihre Stirn nicht auch heißer als sonst? Lisa gehört zwar nicht zur Risikogruppe, erinnert sich aber an eine Dokumentation, in der eine betroffene Person über ihren Aufenthalt auf der Intensivstation berichtet hatte. Der reinste Horror! Lisa fühlt sich wie betäubt (Zustand der Lebensgefahr). An Arbeit ist nicht mehr zu denken.
Lisa mailt ihrem Chef, dass sie krank sei. Sie steigt ins Bett, möchte sich ablenken und ein Buch lesen, aber das geht nicht. Ihre Gedanken rattern unaufhörlich (Zustand der Gefahr). Sie steht wieder auf und hört Musik. Das hilft. Etwas später beginnt sie wie wild zu tanzen. Nach ein paar Stücken fühlt sie sich deutlich besser. Eine Stunde später ist auch das Kratzen im Hals weg (Zustand der Sicherheit wird wiederhergestellt).
Mit diesem Tagesablauf von Lisa wird auf einfache Weise sichtbar, wie wir uns täglich zwischen den drei Zuständen der Sicherheit, Gefahr und Lebensgefahr hin- und her bewegen. Möglicherweise hilft dir diese Geschichte auch, dich an einem Tag selber zu beobachten und deine eigenen Zustände aufzulisten.
Corona-Typen und ihre Zustände (Sicherheit, Flucht, Kampf, Erstarrung)
Als nächstes gehe ich auf drei verschiedene Corona-Typen ein, deren Verhalten ich mit der Polyvagal-Theorie erklären möchte.
Die Hamsterer
Wir kennen sie mittlerweile alle: Die Hamsterer. Unzählige Menschen haben sich zu Beginn der Krise mit zig Packungen Spaghetti, Fusilli und Penne eingedeckt. Auch unser Hintern hat während der Krise plötzlich einen ganz anderen Stellenwert gekriegt und kann dank hunderten von WC-Papierrollen blitzblank geputzt werden.
Aus Sicht der Polyvagal-Theorie befinden sich Hamsterer im Zustand der Gefahr. In dem Moment, in dem sie ihren Einkaufswagen mit zig Packungen Nudeln und Toilettenpapier bepackt zur Kasse schieben, empfinden sie die Welt als gefährlich, beängstigend und unsicher.
Gut möglich, dass sich so mancher nach seinem Hamsterkauf gefragt hat, was um Himmels willen in ihn gefahren ist. Wo soll er nun die 200 Rollen Toilettenpapier verstauen? Und die drei Kisten Pasta? Dabei hat das Alarmsystem von diesen Menschen lediglich auf einen Trigger reagiert (entweder auf Horrormeldungen in den Medien oder auf ein halbleeres Nudelregal) und Gefahr signalisiert.
Wenn wir selber nicht gehamstert haben, kann es sein, dass wir auf Hamsterer mit Unverständnis oder Wut reagiert haben. Auch in solchen Momenten sind wir nicht im Zustand der Sicherheit. Wir spüren eine Gefahr, die von den Hamsterern ausgeht (wenn das jeder machen würde…). Gut möglich, dass wir Hamsterer sogar beschimpfen. Wären wir im Zustand der Sicherheit, würden wir mitfühlend auf diese Menschen reagieren. Wir würden erkennen, dass sie aus Angst heraus gehandelt haben und dass sie in dem Moment nicht anders handeln konnten.
Die Rebellen und Spitzel
Auf Freiheitsentzug reagieren wir Menschen ganz unterschiedlich – je nachdem, welche Erfahrungen wir aus der Kindheit und Jugendzeit damit verbinden und wie diese Erfahrungen uns geprägt haben. Vielleicht wurden wir früher aufs Zimmer geschickt, weil wir etwas verbockt oder weil wir eine kritische Frage gestellt hatten, auf die der Vater keine Antwort wusste. Die Lösung für die Eltern bestand damals darin, uns als Strafe aufs Zimmer zu schicken, weil sie selber nicht mehr weiter wussten und uns nicht schlagen wollten. Sie signalisierten uns mit dieser Bestrafung aber, dass unser Verhalten nicht richtig war. Wir wurden in diesem Moment abgelehnt und die Liebe wurde uns bewusst entzogen.
Im Jahr 2020 kommen nun Politiker daher, die uns sagen wollen, was wir zu tun haben. Dass wir nicht mehr rausgehen dürfen. Dass wir uns nicht mehr mit unseren Freunden treffen, uns nicht mehr abküssen, uns nicht mehr nahe kommen dürfen. Wir sehen uns in unserer Freiheit beraubt. Gut möglich, dass man in der ehemaligen DDR aufgewachsen ist und sich nun zurückerinnert fühlt an die damalige Zeit. Damals gehörte dieser Zustand zur Normalität: Man war in einem Land eingeschlossen und wurde bespitzelt. In der Corona-Zeit hat die Bespitzelung durch Mitbürger wieder zugenommen. Spitzel nehmen sehr gut wahr, was die anderen falsch machen (die anderen sind nicht solidarisch und halten sich nicht ans Gesetz). Sie selber setzen das um, was die Regierung ihnen befiehlt und sie empfinden ihr Verhalten deshalb auch als richtig (ich bin die gute Person). Auch Spitzel bewegen sich aus einem Zustand der Gefahr heraus. Sie vergleichen sich mit den Mitbürgern und halten diese für gefährlich. Dagegen muss man etwas tun. Man muss sich wehren. Sie anzeigen.
Die Ausgangssperre kann eine Retraumatisierung auslösen
Wer sich auch nur ein bisschen mit Traumatherapie befasst hat, weiß, dass die verhängte Ausgangssperre bei unzähligen Menschen eine Retraumatisierung auslösen kann. Dass diese Menschen, die früher als Strafe eingesperrt wurden, genau an diese Situationen zurückerinnert werden. Wie der einzelne Mensch darauf reagiert, ist unterschiedlich und hängt davon ab, welches Verhalten ihm früher geholfen hat, mit seinem Schmerz umzugehen. Es gibt Menschen, die in eine Depression verfallen und sich den ganzen Tag unter die Bettdecke verkriechen (auch wegen der Panikmache in der Presse). Dabei handelt es sich um den Zustand von Lebensgefahr. Bei anderen Menschen kann die Ausgangssperre zu Wut oder Aggression führen (Kampf, Gefahr). Diese kann sich gegen die eigene Familie oder gegen das System richten. Andere Personen wiederum richten ihren Blick auf andere Menschen, die sich fehlerhaft verhalten und sich nicht an die Maßnahmen halten (Kampf, Gefahr, die von anderen ausgeht. “Wenn das jeder tun würde”). Auch die deutsche Vergangenheit darf hier nicht außer Acht gelassen werden. In den Zellen stecken noch viele kriegerische Altlasten, die aufgearbeitet werden müssen.
Entweder verurteilen wir Menschen, die rebellieren, die sich kritisch äußern, die sich nicht biegen lassen, sich nichts sagen lassen und denen ihre Freiheit wichtiger ist als gehorsam. Oder wir lehnen uns gegen die Spitzel auf und finden sie die hinterletzten Vollidioten. Möglicherweise stören wir uns aber an den Menschen, die Panik verbreiten oder an jenen, die das Virus schönreden (“ist nur eine Grippe”). Wer auch immer auf unserer Gegenseite steht: Auch diese Menschen haben ihre Geschichte – so wie du die deine hast. Und wir dürfen erkennen, dass jeder Mensch aufgrund seiner Geschichte ein Verhalten wählt, das für ihn in dem Moment sein Überleben am besten sichert. Und wenn wir uns dessen bewusst sind, wird uns unser eigenes Verhalten klarer, aber auch das der Mitmenschen.
In 5 Schritten zurück in den Zustand der Sicherheit
Vielleicht hast du während des Lesens herausgefunden, dass du öfters Momente kennst, in denen du dich entweder wie benebelt, erstarrt oder blockiert fühlst oder in denen du vor lauter Wut am liebsten eine Wand einschlagen oder laut schreien würdest. Oder du ärgerst dich über deine Mitmenschen, die sich nicht an die Regeln halten.
Die folgenden 5 Schritte können dir helfen, zurück in den Zustand der Sicherheit zu kommen.
Dazu noch ein kleiner Hinweis: Wenn du traumatisiert bist, kannst du das Trauma selten alleine auflösen bzw. kommst zunächst nicht alleine aus einem Zustand der Immobilisierung heraus. Es braucht ein therapeutisches Setting, das den Zustand der Sicherheit herzustellen vermag. Also ein Gegenüber, das dich begleitet und mit dessen Hilfe du die Erfahrung machen kannst, dass es gefahrlos möglich ist, dich auch mit Menschen wieder sicher zu fühlen. In dem Fall empfehle ich dir, einen Therapeuten in deiner Nähe zu suchen, bei dem du dich wohl fühlst und der dich bei deiner Aufarbeitung unterstützen kann.
Vorarbeit
- Arbeitsblatt ausfüllen
Ich schlage dir vor, zunächst das „Polyvagal-Theorie Arbeitsblatt.pdf“ auszufüllen. Dieses habe ich auf Basis des Buches von Deb Dana „Die Polyvagal-Theorie in der Therapie“ erstellt. Du findest unter „Polyvagal-Theorie Beispielinhalte fuer Arbeitsblatt.pdf“ auch diverse Inhalte für die einzelnen Zustände. Dies kann dir helfen, besser zu verstehen, in welchem Zustand du dich jeweils befindest.
- Meditation: Sicherer Ort
Diese Meditation ist Bestandteil meines Onlinekurses „Blockaden lösen“. Da ich überzeugt bin, dass sie Menschen in dieser schwierigen Zeit dabei unterstützen kann, schneller in den Zustand der Sicherheit zurück zu finden, stelle ich die Meditation gratis zur Verfügung.
Vorgehen, während man den Zustand der Gefahr (Kampf) oder Lebensgefahr (Erstarrung) wahrnimmt
1) Zustand erkennen
Wenn du überreagierst, erstarrst, dich nervst oder blockiert fühlst, ist es zunächst hilfreich zu wissen, dass du dich nicht mehr im Zustand der Sicherheit befindet. Nur schon der Satz „Aha, ich befinde mich nicht mehr im Zustand der Sicherheit“ kann dir dabei helfen, dies zu erkennen.
2) Zustand benennen und respektieren
Am besten benennst du deinen aktuellen Zustand, allenfalls auch laut (du sitzt ja eh alleine zu Hause 😉 ). Versprachlichung ist sehr wirkungsvoll und notwendig. Dies beschreibt auch die Kinderpsychoanalytikerin Caroline Eliacheff sehr schön in ihrem Buch „Das Kind, das eine Katze sein wollte“.
Wenn du wie erstarrt bist, könnte die Versprachlichung wie folgt aussehen:
„Ich kann mich nicht mehr bewegen. Ich möchte mich am liebsten den ganzen Tag im Bett verkriechen. Die Welt erlebe ich als gefährlich. Ich befinde mich im Zustand der Lebensgefahr. Ich weiß, dass mich mein autonomes Nervensystem nur schützen möchte. Mit mir ist nichts falsch. Es ist eine automatische Reaktion. Mein autonomes Nervensystem hat einfach das Gefühl, ich sei in Lebensgefahr. Ich werde nun langsam meine Finger bewegen und meine Zehen. Ich sehe, dass das geht. Ich kann mich selber wieder in Bewegung setzen.“
3) In den Zustand der Gefahr zurückkehren
Im Zustand der Lebensgefahr hat man keinen Zugang zu seinen Gefühlen mehr. Um zurück in den Zustand der Sicherheit zu kommen, ist es notwendig, den Zugang zu den Gefühlen (z. B. zur Wut) wieder herzustellen und in Kontakt mit den eigenen Gefühlen zu treten. Das heißt, man kommt von der Lebensgefahr nur über den Zustand der Gefahr zurück zur Sicherheit.
Nochmals: Ich persönliche empfehle dir dringend, dies in ein paar Sitzungen begleitend mit einer Therapeutin zu machen, bevor dir genügend Hilfsmittel zur Verfügung stehen, dass du es alleine zu Hause durchführen kannst.
Aber hier ein Beispiel, wie der Prozess von der Immobilisierung zurück in den Zustand der Gefahr in etwa ablaufen könnte:
„Ich stehe langsam auf, summe ein Lied und nehme das rote Sofakissen zur Hand. Jetzt schlage ich mit dem Kissen aufs Sofa. Immer wieder. Das Kissen steht für die Regierung. Ich spüre nicht viel. Aber ich mache weiter.
…
Oh, jetzt kommt Wut auf. Die Regierung macht mich so wütend! Ich haue mit meiner ganzen Kraft drauf. Ich darf das. Das tut gut! Ich spüre, wie ich ganz viel Kraft in meinen Armen mobilisieren kann. Die Wut steigt aus meinem Bauch hoch in den Kopf. Phoa, so viel Wut, so viel Aggression! Ich könnte schreien. Ich schreie! Laut! Egal, jeder darf das hören! Äääääääähh!!!
Früher durfte ich nie aggressiv sein. Nie wütend sein. Ich musste immer der Liebe sein. Ich musste mich immer anpassen. Damit ist jetzt Schluss! Meine ganze Wut darf raus!
…
Jetzt ändert sich was, ich fühl mich plötzlich unsäglich traurig. Ich bin machtlos. Ich kann nichts gegen den Regierungsentscheid tun. Sie haben meine Freiheit gestohlen. Meine Würde. So wie früher. In meiner Kindheit. Auch damals hat man mich meiner Würde beraubt. Es ist alles so traurig. Ich fühle mich ganz traurig.“
Ein solcher möglicher Prozess hab ich hier abgekürzt dargestellt. Natürlich kann sich dies bei dir ganz anders abspielen. Wichtig ist, dass du es schaffst, dich mit deinen wahren Gefühlen zu verbinden und zu erkennen, was alles in dir brodelt. Wenn du deine Gefühle wahrnehmen kannst, bist du plötzlich wieder BEI DIR und nicht mehr außer dir. Und wenn du bei dir bist, kannst du aus dem Zustand der Sicherheit heraus Zusammenhänge erkennen und Verhaltensweisen aufdecken, zu denen du vorher keinen Zugang mehr hattest.
4) Wissen, wie man in den Zustand der Sicherheit zurückkehren kann
In diesem Schritt ist es sinnvoll, dir bewusst zu werden, wie du zurück in den Zustand der Sicherheit kommen kannst. Zum Beispiel so: „Ich weiß, dass mein autonomes Nervensystem mir vorgaukelt, ich sei in Gefahr. Ich weiß aber auch, wie ich mich zurück in den Zustand der Sicherheit bringen kann. Ich habe meine Wut gespürt. Das hat gut getan. Ich möchte jetzt tanzen. Ich brauche Musik. Laute Musik. Das hilft mir. Das tut mir gut. Ich weiß das!“
5) Handeln und Rückkehr in den Zustand der Sicherheit
Im nächsten Schritt kommst du durch eine Handlung raus aus deinem Zustand der Gefahr. Dies kann bei jeder Person etwas anderes bedeuten. Zum Beispiel könntest du laute Musik hören oder tanzen oder sonst wie in Bewegung kommen. Manchen Menschen hilft es auch, wenn sie eine Klopftechnik anwenden. Eventuell kannst du dich mit dem sicheren Ort verbinden (siehe Meditation). Sehr wirkungsvoll ist es auch, wenn du dich deiner Ressourcen bewusst wirst (also dem, was dir gut tut, was dir Kraft gibt, Sicherheit, Vertrauen, Mut) und deine Ressourcen aktivierst.
Hilfreiche Artikel
Im Artikel Schattenarbeit: Finde Donald Trump in dir ist eine Vorgehensweise beschrieben, die dich dabei unterstützen kann, dich besser kennenzulernen und deine Schattenanteile anzunehmen. Erst wenn diese integriert sind, kannst du mehr und mehr aus dem Zustand der Sicherheit heraus handeln.
Im Artikel Seelische Blockaden lösen und befreiter leben ist auch eine Klopfmethode beschrieben, die dir helfen kann, deine Energie in Bewegung zu bringen. Dies kann dich auch wieder dabei unterstützen, schneller zurück in den Zustand der Sicherheit zu finden.
Im Artikel Coronavirus aus psychologischer, spiritueller und astrologischer Sicht erhältst du eine ganz andere Sichtweise auf das, was im Moment auf der Welt vor sich geht.
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